Der Wille zur Würde

 

Die Gesamtheit der seelischen Empfindungen und der daraus möglichen Inspirationen und Fantasien definiert die psychische Disposition eines Menschen und per se, seine individuelle geistige Substanz. Diese steht in direkter Abhängigkeit mit dem Arrangement, das der Mensch mit den, sein Leben bestimmenden Umständen, getroffen hat. „Kein Mensch muss müssen“, sagt der Jude Nathan in Lessings Gedicht. Doch das Leben ist voller Zwänge, deren Akzeptanz das virtuelle Gedeihen einer Existenz protegieren. Das heißt dann oft aber auch, den eigenen Willen, die Würde, die geistige Kompetenz mit Bewusstsein vernünftig zu handeln, zu kompromittieren und sich so selbst seiner individuellen Würde zu berauben. Die Resignation des eigenen Willens vor einem, vermeintlich existenziell unabdingbarem Verhaltenskodex, substanzloser, trivialer, materieller Art, ohne ethische Substanz, ist eine charakterliche Bankrotterklärung. Diese ist weit schlimmer und tief greifender als ein materieller Ruin es je sein kann. Was stellt ein Mensch dar, den lediglich ein gefälliger Schein auszeichnet – eine würdelose Kreatur ohne Stolz und eigenen Wert. Da nützt alle Schönrederei, alle gefällige Interpretation nichts, denn nicht die Hülle, sondern das Innere definiert den Wert eines jeden menschlichen Wesens, erhebt oder erniedrigt es bis zur Belanglosigkeit.
Klaus Schneider Februar 2020

 

Anstand

Anstand ist der Ausdruck von Respekt vor der Würde  anderen Menschen.
Anstand ist ein natürlicher Grundsatz, eine ethisch-logische Forderung und die Voraussetzung für ein gutes oder verträgliches Miteinander. Denn Anstand bestimmt die Qualität der Umgangsformen und somit Stil und Niveau zwischenmenschlicher Beziehungen.

Von der Moral unterscheidet sich der Anstand insofern, als er in erster Linie etwas Unverbindliches ausdrückt, das die charakterliche Disposition einer Person nicht notwendigerweise offenlegt. Anstand zeigt vielmehr auf die Fähigkeit auf, Anliegen, Standpunkte oder Meinungen mit Intelligenz und Instinkt, konstruktiv vorzubringen.

Anstand drückt Respekt vor der natürlich gegebenen Würde des Menschen, jedes Menschen aus. Herkunft, sozialer Status oder Alter rechtfertigen keine Steigerung oder Reduktion von Anstand. Anstand ist aber auch eine unbedingte Forderung eines kultivierten Charakters im Selbstverständnis seiner persönlichen Würde.

Klaus Schneider November 2019

Anstand – Indiz für die Qualität einer Gesellschaft

Anstand wird als ein selbstverständlich empfundener Maßstab für den Anspruch und die Erwartung an ein verträgliches soziales Verhalten bezeichnet. Anstand bestimmt die Umgangsformen, das Miteinander, die Lebensart und damit die Qualität einer Gesellschaft.
Umgangsformen gestalten die soziale Interaktion innerhalb der Gesellschaft. Während sogenannte „gute Umgangsformen“ als selbstverständlich vorausgesetzt und meist kommentarlos positiv bewertet werden, erregen negative Verhaltensformen (Angeberei, unhöfliches Verhalten, Pöbeleien in verbaler und nonverbaler Form usw.) den Missmut der Betroffenen. Die soziale Interaktion gestaltet das menschliche Miteinander, das gegenseitige Handeln (oder Beeinflussen) von Personen (oder Gruppen), also das Geschehen zwischen Menschen, die aufeinander reagieren, miteinander umgehen, einander beeinflussen, also miteinander leben müssen.
Anstand ist ganz sicher kein Auslaufmodell aus historischen Zeiten. Anstand ist topaktuell, denn er legt die Form, das Niveau des Miteinander fest und bestimmt damit die Lebensqualität eines jedes Menschen. Anstand ist vor allem Respekt – Respekt vor der Würde des Anderen. Diese Würde, die jeder vehement für sich in Anspruch nimmt, mit gutem Recht, ist aber universell, der Andere besitzt den gleichen Anspruch auf Respekt, auf die Unverletzlichkeit seiner Würde. Dies gilt ohne Unterscheidung gesellschaftlicher oder familiärer Stellung, Rang und Namen von Personen. Anstand und Respekt sind ein Naturrecht, dieser Anspruch ist unveräußerlich. Menschen mit Charakter und Niveau, gleich welcher Abstammung und Herkunft, wissen und leben das, es ist ein Teil ihres Wesens. Die Anderen, mögen sie sich noch so cool finden,bilden lediglich den trüben Bodensatz einer Gesellschaft, Sozialschmarotzer – im reinsten Sinn dieser abgedroschenen Phrase – sie profitieren vom Anstand, dem positiven Wirken der Anderen auf und in der Gesellschaft.

Nachsatz- Zitat
Adolph Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge (1752–1796)
Schreibe nicht auf Deine Rechnung das, wovon andern das Verdienst gebührt! Wenn man Dir, aus Achtung gegen einen edlen Mann, dem Du angehörst, Vorzug oder Höflichkeit beweist, so brüste Dich damit nicht, sondern sei bescheiden genug zu fühlen, dass dies alles vielleicht wegfallen würde, wenn Du einzeln aufträtest! Suche aber selbst zu verdienen, dass man Dich um deinetwillen ehre! Sei lieber das kleinste Lämpchen, das einen dunklen Winkel mit eigenem Lichte erleuchtet als ein großer Mond einer fremden Sonne oder gar Trabant eines Planeten!

Klaus Schneider Mai 2017