Antisemitismus zeigt eine der dümmsten Entgleisungen des menschlichen Intellekts auf. Während für andere rassistische Ressentiments wenigstens noch optisch sichtbare Verschiedenheiten zu ansonsten geist- und haltlosen Begründungen, assistieren können, sind Menschen jüdischen Glaubens, weder sichtbar, noch an einer individuellen Verschiedenheit zu identifizieren. Sie sind da, sind Mitglieder der Gesellschaft, nicht mehr und nicht weniger und das schon seit Hunderten von Jahren. Mit dem gleichen Anspruch auf ein unantastbares Recht ihrer Existenz wie jedes andere Mitglied dieser Gesellschaft – ohne Wenn und Aber – ist dieser archaische Antisemitismus noch so tief in der Gesellschaft verwurzelt.
An und für sich eine plausible Aussage, da eine nachvollzieh- und beweisbare Begründung der stereotyp vorgetragenen Ressentiments noch nie erbracht wurde. Doch hier geht es nicht um Logik, hier geht es um eine tief im Erbgut eingelagerte Negation und die erfordert keine nachvollziehbare logische Begründung. Ein seichtes Tummelbecken für Intelligenz-reduzierte Individuen, denen eigene Denkoperationen, ohne die Hilfskonstruktionen vorgegebener Ideologien, suspekt erscheinen.
Doch sie können ihre Absolution in der real existierenden moralischen Disposition dieser Gesellschaft finden. Einer Gesellschaft, entstanden aus den Trümmern nationalsozialistischer Verbrechen, einem Albtraum von Zerstörung und Schrecken. Ein Albtraum der bei seiner Aufarbeitung durch Gleichgültigkeit beschämte, die Millionen ermordeten Menschen allenfalls ein weiterer „Vogelschiss“ in den Annalen ihrer trüben Geschichte. Was, um Gotteswillen, soll in diesem Sumpf von erbärmlicher Ignoranz, der nie trockengelegt wurde, gedeihen?
Klaus Schneider Oktober 2019