Toleranz – Sinn und Unsinn

Der Philosoph Karl Popper schrieb 1945 über das Paradox der Toleranz, dass uneingeschränkte Toleranz mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz führt. Denn, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen. Toleranz ist per se nicht wehrhaft, da es scheinbar ein Widerspruch in sich ist, wenn Toleranz die Intoleranz nicht toleriert.

Ist das so? Zunächst einmal, die Toleranz als Ideal gesetzt, ja. Ja, wenn die Menschheit aus überwiegend mit vernunftbegabten, vernünftig handelnden, kognitiv leistungsfähigen, altruistisch handelnden, Individuen bestehen würde. Individuen, die der Grundhaltung, des von Popper begründeten, kritischen Rationalismus verbunden sind. Dieser kritische Rationalismus geht davon aus, dass ich mich irren kann, dass, andere recht haben können und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden. Zusammenfassend, einem Menschenbild entsprechend, das ebenfalls als ein, lediglich denkbares, Ideal angesehen werden muss.

Doch Ideale stellen nun mal keine Realitäten dar, sie sind Gedanken Konstrukte, die abstrakte Darstellung einer Idee, die nur als vollkommenes Ideal in der Vorstellung existiert. Es handelt sich daher um ein anzustrebendes, jedoch, ein nie zu erreichendes Urbild. Das Ideal steht konträr zu realen Gegebenheiten, so muss auch die Toleranz, will sie in der Realität wirken, sich von ihrem theoretischen Ideal lösen um in einem praktischem, selbsterhaltenden Rahmen zu wirken. Sich den Gegebenheiten anpassen, welche sie zum einen zu einem hohen, schützenswerten Gut erhebt, zum anderen der Intoleranz als wehrloses, missbrauchtes, moralisches Vermögen zur Hegemonie verhilft um dann in Folge als gefährliches, subversives Gedankengut eliminiert zu werden.

Toleranz benötigt einen klar definierten Rahmen, um zur Blüte ihrer Möglichkeiten zu gelangen. Möglichkeiten, die der Menschheit fast grenzenlose Entfaltung ermöglicht. Toleranz ist die ideelle Basis für Freiheit, Gleichheit und geistiger Entwicklung. Werte, die jedoch nur ihre Kraft entfalten, wenn alle von ihnen partizipieren können. Wenn Toleranz missbraucht wird, um der Intoleranz den Weg zu ebnen, werden mit diesem Paradigmenwechsel die Freiheit, die Brüderlichkeit, die Gleichheit und auch die Leistungsfähigkeit des menschlichen Geistes ein kümmerliches Dasein fristen.

Denjenigen Bestrebungen, die Toleranz lediglich zur Machterlangung missbrauchen, ist aufgrund dieses Ansinnens jeglichen Anspruch auf Toleranz kategorisch abzusprechen. Dieses ist moralisch vertretbar und auch logisch begründbar, denn mit dem Auslöschen der Toleranz stellt diese keinen Wert mehr dar, sie kann von Niemandem mehr in Anspruch genommen werden. Braucht es noch mehr Gründe, Toleranz mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen, auch unter Zuhilfenahme der Intoleranz gegenüber den Intoleranten? Wenn Toleranz erst einmal keinen Wert mehr besitzt, wird es viel Leid, Kraft und Tränen kosten, sie wieder in einer Gesellschaft zu installieren.

Klaus Schneider März 2024

Systemproblem freie Marktwirtschaft

Systemproblem Kapitalismus

Es ist eine Tatsache, ob geliebt oder nicht, wir leben in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, in einer Wirtschaftsordnung, in der die freie Marktwirtschaft und das Privateigentum an Produktionsmitteln auf der einen Seite, auf der anderen die Arbeitskraft der Menschen,  die maßgebenden Faktoren sind. Die Produktionsmittel finanzieren sich aus dem Kapital von Eigentümern, zunehmend von Investoren. In der Regel werden Gewinne aus der Produktion erzielt, eingesetztes Kapital vermehrt sich und wird im Idealfall zur Finanzierung der Unternehmen eingesetzt. Mit der Deregulierung der Finanzmärkte in den 1980er flossen erzielte Gewinne nun weniger in die Unternehmen zurück, stattdessen wurde in international gehandelte Finanzprodukte investiert, die kurzfristig sehr hohe Gewinne, wenn auch mit teils hohem Risiko, versprachen. Es wurde also nicht mehr in die Produktion von Waren und Dienstleistungen investiert, sondern mit Geld wurde Geld verdient. Damit fehlten der Realwirtschaft die Investitionen, mit denen Wertschöpfungen erzielt werden können, die den allgemeinen Wohlstand einer Gesellschaft erhöhen.
Arbeitskräften steht dagegen lediglich deren Leistung, als Einsatz für den Erwerb von Kapital zur Verfügung und dieser ist von vielerlei Einschränkungen und Gegebenheiten abhängig, also nur bedingt zu steigern. In der Regel werden unselbstständige Arbeitskräfte für ihre Arbeit einmalig entlohnt, ein Gewinn über ein festgelegtes, bescheidenes Maß ist, wenn überhaupt, nicht vorgesehen. Sie sind der Willkür des kapitalistischen Systems ausgesetzt, ihre Teilhabe an diesem System ist durch das, von eben diesem System zugebilligte Entlohnungsniveau, erheblich sanktioniert.
Dieser, für die werktätige Bevölkerung, missliche Zustand, brachte jedoch in Verbindung mit den Regularien eines Sozialstaates, ein gesellschaftliches Agreement, das finanzielle Sicherheit in Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter versprach und damit auch eine gewisse monetäre Teilhabe am Warenangebot der Marktwirtschaft ermöglichte. Eine, von der Möglichkeit einer Partizipation aller an den Möglichkeiten des freien Marktes gesehene, Win- win- Situation. Ein auf gegebene Fakten reduziertes Ideal, wenn die Politik, die Gesellschaft, das gesamte System die Eigendynamik des Kapitals und deren Eigner nicht unterschätzt hätten. Der Finanzkapitalismus auch als Raubtierkapitalismus bezeichnet, übernahm zum Ende der 20. Jahrhunderts die Regie über die gesamte Marktwirtschaft, dh. auch über die Sozialsysteme und reduzierte diese sukzessive, durch repressiven Druck auf die Staaten, auf ein marktkonformes Niveau.
Riesige Kapitalströme bewegen sich, tendenziell zunehmend, rasant  in den globalen Marktwirtschaften und übernehmen die Kontrolle über die Realwirtschaft. Banker und Spekulanten verdienten durch Spekulationen an den Finanzmärkten  schwindelerregende Summen. Kapital muss nicht in Wirtschaftsleistung investiert und vermehrt werden, es vermehrte sich in den Finanzmärkten selbst. Der finanzielle Druck in und auf  die Unternehmen stieg, wollten sie auf dem Finanzmarkt mit ihren Unternehmen bestehen. Der Personalbestand wurde reduziert,  auch die Lohnquote in den westlichen Industriestaaten sank, was sich wiederum negativ auf den Konsum und nicht zu vergessen, auf die Finanzierung der Sozialsysteme auswirkte.

Die schützenden Mechanismen des Sozialstaates waren durch reduzierte Steuereinnahmen, die zunehmend mehr aus der Besteuerung von Löhnen und des Konsums stammten und weniger aus der Besteuerung von Kapital und Finanzgeschäften, sowie den folglich reduzierten und fehlenden Sozialabgaben, nicht mehr sichergestellt. Sozialleistungen wurden in Folge sukzessive, in Umfang und Leistung, zurückgefahren. Die Marktwirtschaften waren nun gänzlich dem Sog des Turbokapitalismus ausgeliefert, einem vollkommen deregulierten, völlig entfesselten Markt, mit schwindenden Schutzmechanismen für die werktätige Bevölkerung. Diese schützenden Mechanismen des Staates, sind im Sinne einer effizienten Marktwirtschaft  ineffizient: Mehr Wettbewerb bedeute mehr Effizienz, Wachstum und Wohlstand. Doch mit dem negativen Resultat, dass dies nicht für alle zutrifft, sondern nur für eine kleine Minderheit, deren Reichtum sich stetig vermehrt. Der großen Mehrheit der Bevölkerung ist die Partizipation an Wachstum und Wohlstand verwehrt, sie verarmt, verliert an Kaufkraft und Vermögen, in gleichem Maß wie die Eigner des Kapitals ihre Gewinne steigern.
Damit ist noch nicht eines der größten Probleme der Menschheit, das in direktem Zusammenhang mit den Auswüchsen eines ungezügelten Wachstums der Marktwirtschaften steht, aufgeführt – die globale Klimakrise. Zum einen ausgelöst durch den stetigen Bevölkerungszuwachs, der generell vermehrt den Einsatz von Ressourcen für die Produktion von Waren aller Art verlangt, zum anderen, weit prägnanter, ist sie der sinnlosen Konsumgier in den Industrienationen, je nach Einkommen, nach allem was der Markt anbietet, geschuldet. Dieser Konsumgier wird der Markt, in seiner aktuell deregulierten Form, alles, was er nur kann, anbieten und er wird dazu neuen Bedarf schaffen, wird Angebote offerieren von denen bis dato noch kein Konsument ahnt, dass er sie überhaupt benötigt.
Die Natur besitzt keine wirksamen Schutzmechanismen gegen solche Exzesse der Marktwirtschaft in Eintracht mit dem, nicht minder exzessiven Konsumverhalten, der Menschen. Zaghafte, regulative Ansätze werden mit der Ineffizienz solcher Regularien für die freie Marktwirtschaft, bzw. die Gewinnmaximierung, gefälliger ausgedrückt, eines irreparablen Schadens für die Volkswirtschaft, bis zur Unkenntlichkeit verwässert.

Ist die Forderung nach sozialer  Gerechtigkeit, nach umweltverträglichen Standarts, unter den Bedingungen turbokapitalistischer Globalisierung dennoch möglich und welche Institutionen könnten dies bewerkstelligen?
Das grundsätzliche Problem ist den richtigen Adressaten für dieses Anliegen zu finden. Ist es die Politik, die politischen Entscheidungsträger, die Abgeordneten,  Autokraten oder was sonst immer die Geschicke der Staaten lenkt?
Es ist wohl unbestritten, dass kein Staat aus dem Wettbewerb um die niedrigsten Unternehmenssteuern, die geringsten Auflagen, was die Attraktivität von Investitionen bedingen, einfach aussteigen kann, zu dem das global agierende Kapital die Staaten, auch die Sozialstaaten, gezwungen hat. Spitzensteuersätze sowie Umweltstandarts für Unternehmen orientieren sich nicht am Bedarf der Finanzierung von Sozialsystemen oder Strukturinvestitionen, sondern wie konkurrenzfähig Unternehmenssteuern und sonstige Einschränkungen im internationalen Vergleich sind und nicht zur Kapitalflucht führen. Kapital kann einen Staat jederzeit verlassen und sich in Ländern mit marginaler Besteuerung attraktivere Bedingungen suchen,  die Bürger können das nicht.
Im Machtkampf zwischen globalem Kapital und nationalen Staaten gibt es ein eklatantes Ungleichgewicht. Hat die eine Seite die finanzielle Übermacht, so kämpft die andere lediglich mit einer, zwar ehrenwerten, aber machtlosen Ideologie der wirtschaftlichen und umweltpolitischen Vernunft im Sinne aller. Damit kann man theoretisch auch überzeugen,  aber wer Regierungen auffordert, mit Vernunft gegen die Eigendynamik des Kapitals anzugehen, rät zum politischen Selbstmord. Die Folge wäre die Verweigerung und Verlagerung von Investitionen, nachfolgend steigender Arbeitslosigkeit, was die Unterfinanzierung der Sozialsysteme durch Überlastung nach sich zieht. Für dieses Szenario lassen sich, zumindest in den Demokratien, keine Mehrheiten finden.

Nur ist das der Weisheit letzter Schluss? Ist der Gedanke, der sinnvolle Wunsch nach einer ausgewogenen Gesellschaftsform, das Zusammenlebens aller in sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Harmonie, eine schöne, doch surreale Wunschvorstellung, eine sich jeder Realität verschließende Illusion?
Es ist eine Tatsache, dass der heutige Istzustand unvermeidlich war, denn er entspricht der Mentalität, dem Wesen des Menschen und ist auch aus diesem Grunde nicht revidierbar. Was jedoch nun geschieht, ist wider besseren Wissens eine ängstliche Kapitulation vor den Kräften des Marktes, das mutlose Zurückweichen des Politischen, des Rechtlichen vor sozialen, auch moralisch erforderlichen Notwendigkeiten zur Erhaltung der Lebensqualität aller. Eine verbindliche soziale Moral, muss über individuelle Ansprüche hinausreichen und sie kann nur als positives Recht verwirklicht werden. Der Kampf um Recht aber ist Politik. Die globale Marktwirtschaft selbst setzt sich keine sozialen  Ziele oder nachhaltige Umweltstandarts, dieses sind Beschränkungen für die Effizienz und das Wachstum der Märkte. Solche marktfremden Kriterien müssen ihm von außen, also politisch vorgegeben werden. Eine solche Regulierung bedeutet keinesfalls das Ende der freien Marktwirtschaft, nur müssen sie für alle Marktteilnehmer in gleichem Maß gelten. Wenn das der Fall ist, führen, Steuerlasten, Umweltschutzkosten oder anfallende Kosten aus sozialen Vorgaben, zu keinem Wettbewerbs Vor- oder Nachteil zwischen konkurrierenden Unternehmen. Auch können Investitionen oder Spekulationen am Finanzmarkt nicht ohne reale Sachwerte bestehen, wie auf die Produktion von Waren und Dienstleistungen.

Das bedeutet aber: Die politische Macht, die dem Markt die Ziele setzt, muss ebenso weit reichen wie der Markt selbst und das wurde mit der Globalisierung ein schier unlösbares Problem. Ein politischer Konsens von 150 bis 200 Nationalstaaten, völlig unterschiedlicher Interessen und Ideologien, ist eine Illusion. Alternativ besitzen die wenigsten Nationalstaaten für eine Regulator-Rolle die wirtschaftliche Macht, zudem die dafür infrage kommenden, in geopolitischen, ideologischen und wirtschaftlichen Rivalitäten verstrickt sind. Was hier als Zünglein an der Waage ausschlaggebend sein könnte, wäre ein starker,  politisch geeinter Wirtschaftsraum Europa, auf der Grundlage eines politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gefüges, das in einem ausgewogenen Verhältnis von individueller Freiheit und maximal möglicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gleichheit lebt. Nur ein Wirtschaftsraum von solcher Dimension wäre in der Lage auf den globalen Markt Einfluss zu nehmen und der globalen Marktwirtschaft soziale und ökologische Ziele vorzugeben.

Systemproblem Mensch

Ein weiterer, wenn nicht gewichtigerer, ist der Faktor Mensch in diesen Überlegungen, sein Wesen, seine Präferenzen im Zeitraum seiner Existenz. Ein denkendes, teils im Kontext mit dieser Gabe, vernunftorientiert handelndes Subjekt, doch seit Beginn seiner Geschichte weit mehr seinen Instinkten und Trieben verhaftet, da sein Überleben engstens damit verbunden war. In seinen Anfängen existierte der Mensch frei in kleinen Verbänden und lebte als Jäger und Sammler mit und in der Natur. Mit dem Übergang von den Jägern und Sammlern zu Ackerbauern und Viehzüchtern stieg die Produktivität von Nahrunsmitteln an, damit nahm die Bevölkerung stark zu. Nun waren große Mengen an Gütern zu verteilen, was die Bildung von Verteilungs und analog, Herrschaftsstrukturen bewirkte. Es gab Güter über den eigenen Bedarf zu erwerben, diese konnten vermehrt und anzuhäuft werden, was für Jäger und Sammler eher belastend und die überlebensnotwendige Bewegungsfreiheit erschwert hätte. So spaltete sich schon zu Zeiten als von organisierten Reichen oder gar Staaten keine Rede sein konnte, die Gesellschaft in wenige Besitzende, die die Zeichen der Veränderung erkannten und zu nutzen wussten sowie viele Besitzlose auf, die nur mit und durch ihre Arbeitskraft existieren konnten. Je größer und arbeitsteiliger sich die menschlichen Gemeinschaften nun entwickelten, umso ungleicher wurden ihre Mitglieder. Das Ungleichgewicht lag bislang bei etwa 15 Prozent reich zu 85 Prozent weniger begütert, dieses Verhältnis hat sich über die Zeit eingependelt. Das zeigt, dass sich die menschlichen Verhaltensweisen mit der Herausbildung des modernen Menschen kaum veränderten. So lernten die Besitzlosen, die lediglich über ihre Arbeitskraft verfügten, über die Jahrtausende dieses Ungleichgewicht zu akzeptieren, es wurde ein Teil ihres Wesens, unter der Voraussetzung, dass ihre Existenz, wenn auch nur marginal, gesichert ist. War dies nicht mehr gewährleistet, so folgten oft blutige Aufstände, wie Bauernaufstand, Französische Revolution, Russische Revolution usw. Doch wie sie auch immer endeten, das Ungleichgewicht wurde nie auf Dauer beseitigt, es verschoben sich lediglich die Macht- selten die Besitzverhältnisse. Letzten Endes behauptete sich immer die Kraft des Kapitals, welches, dem der es besitzt, eine Vorzugsstellung auf Kosten der vielen Besitzlosen verschaffte.
Analog versuchen diese es jenen gleich zu tun, dabei spielt es für sie keine Rolle, zu wessen Lasten die geschieht, Solidarität ist dabei keine nützliche Gesinnung. Das wiederum spielt in heutiger Zeit der globalen Finanzaristokratie, den Initiatoren und Profiteuren des Turbokapitalismus in die Hände. Denn solange monetäre Werte des Menschen oberste Prämisse repräsentieren, ob nun als exklusiver Luxus, oder lediglich aus Existenzangst, werden sie ein leichtes Spiel haben. Es genügen vage Versprechungen, irrationale Hoffnungen, auch schon die Aussicht auf das schiere Überleben, um den Menschen von radikalen Forderungen auf Gleichheit, auf Umverteilung oder Nivellierung der Besitzverhältnisse abzuhalten.

Sinn,Wert und Einfluss des Geldes

Der Mensch ist seit Beginn seiner Sesshaftigkeit auf ein Tauschmittel, das ihm seine Existenz sichert, angewiesen. Dabei hat sich Geld, das vermutlich um 4500 v. Chr. in Mesopotamien erstmals als Silber Währung eingesetzt wurde, als ein allgemein gültiges Zahlungsmittel etabliert, es hat sich als Wertmaßstab- bzw. Recheneinheit am praxistauglichsten erwiesen. Die ersten Münzen wurden um 700 v. Chr. auf dem Gebiet der heutigen Türkei geprägt, um 550 v. Chr. sollen bereits alle großen Handelszentren Europas eigene »Münzprägeanstalten« besessen haben.  Geld, bzw. Geldwert kann als Buchwert oder in Form von Münzen und Banknoten eingesetzt, vermehrt und problemlos, auch diskret, gehortet werden. Ein ideales System für wirtschaftliche Entwicklung , für den Wert bzw. die Entlohnung der Arbeitskraft und die Versorgung der Menschen unentbehrlich. Dass es dabei zu Ungleichheiten kommt liegt in der Natur der Sache, Geld kennt keine Moral, es vermehrt sich da, wo es am besten gedeiht, das heißt da, wo es als Substrat für seine Vermehrung bereits vorhanden ist und nicht auf dem kargen Boden der Armut. So war von Anfang an und wird es immer bleiben. Alle anderen Vorstellungen, Theorien, Ideologien sind reine Utopie. Ebenso ist eine gerechte Verteilung von Vermögen eine naive Illusion von Idealisten, die das selbstbezogene Wesen des Menschen außer Acht lassen. Der Mensch ist ein Gemeinwesen solange es ihm einen Vorteil bringt, was im Ganzen gesehen, außer Frage steht. Dabei steht ihm immer ein besseres Leben, was auch immer darunter verstanden wird, im Sinn. So ist er seiner Sozietät, in die er hineingeboren wird, lediglich auf Abruf verbunden. Wird ihm ein besseres, gesellschaftliches Angebot offeriert, wird er seine Sozietät verlassen, zumindest, ideell verraten und sich ihr gegenüber unredlich verhalten. Das ist seinem Selbsterhaltungstrieb geschuldet, eine der unentbehrlichen Voraussetzungen der evolutionären Erfolgsgeschichte des Menschen, die sein Existieren absichert. Das geschieht am besten, indem er stets nach vorn, zum Bessern, seinem Vorteil strebt, ohne hinderliche Rücksicht auf moralische oder soziale Gebote.

Fazit

Damit sind die Möglichkeiten der Verteilungsgerechtigkeit auf eine kaum merkliche Möglichkeit reduziert. Sei dies nun in der eigenen Sozietät, der staatlichen Gesellschaft oder global, jeder ist sich selbst der Nächste und nur selten gewillt im Sinne und zum Wohl einer, wie auch immer definierten Allgemeinheit, seine Ansprüche zu reduzieren.  Unter diesen Voraussetzungen ist es illusorisch anzunehmen, dass politische Vorhaben zur Eindämmung des globalen Turbokapitalismus irgendwelche, realen Erfolgsaussichten besitzen. Ein gesetztes Recht oder auch das Dekret eines Autokraten lebt nur von und mit der Akzeptanz der Menschen. Sollten Maßnahmen für mehr Verteilungsgerechtigkeit in jeder Form, gegen den ungezügelten Turbokapitalismus, gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und was immer ein unreguliertes Wachstum, jeder inhumane Fortschritt, mit sich führt, den Menschen spürbare Nachteile ihrer gewohnten Lebensqualität bringen, werden sie diesen Eingriffen Widerstand entgegensetzen. Ein emotionales, irrationales Verhalten, welches das Geld, der Kapitalismus als sein Ausdruck, nicht kennt. Ein eklatanter Nachteil des Menschen, zumal in einer freien Marktwirtschaft, die ja bislang ohne brauchbare Alternative ist, nach den Spielregeln des Turbokapitalismus verfahren wird. Emotion gegen Mathematik, ein Duell mit bekanntem Ausgang. So werden sich die etablierten Mechanismen in dieser globalisierten Welt nur selbst zerstören können, oder sie werden durch eine menschen- oder naturgemachte, weltweite Katastrophe zerstört, mit der Folge eines unvorstellbaren Chaos. Wenn aus diesen Trümmern wieder etwas entstehen sollte, wird es wieder ein System, ähnlich dem heutigen sein. Was anderes ist aus heutiger Sicht nicht vorstellbar, der Mensch ist was er ist. Änderungen seiner evolutionär, genetischen Disposition benötigen eine viel zu lange Zeit um effektiv und nachhaltig auf dringliche Erfordernisse zu reagieren. Das ist der Überlagerung der Vernunft durch die Triebe geschuldet, die stets das Naheliegende, das sofort Dienliche favorisieren. Vernunftgebotene Nachhaltigkeit oder Verteilungsgerechtigkeit  bedeutet in jeder Form Verzicht und ist in der Werteskala menschlicher Verhaltenspräferenzen unter nicht empfehlenswert angesiedelt.

 

Klaus Schneider Oktober 2022

 

Buchvorstellung:

Trübe Sicht von Klaus A. Sortorius

Das Buch ist als Taschenbuch, Hardcover und E-book zu beziehen:
Buchhandel
Verlagsshop: Tredition
oder Amazon

 

 

 

 

Kriege und Krisen

 

Der Lauf der Dinge dieser Welt wird seit jeher von einem stetigen Wechsel der Vorherrschaft von Staaten gegenüber anderen Staaten, von Krieg und Frieden geprägt. Dies wirkt sich sowohl ideologisch , als auch wirtschaftlich und kulturell aus. Es ist ein Kommen und Gehen von stetig variierenden Herrschaftsformen, von Wohlstand und davon extrem divergierender Armut.
Herrscher und Beherrschte, Ausbeuter und Ausgebeutete gab es immer und wird es immer geben. Die Menschheit wird sich in ihrem inneren Wesen nie ändern, es sind im Grunde ihres Wesens dieselben Menschen, die seit jeher diesen Planeten bevölkern. Sie verändern lediglich temporär , je nach den aktuellen Bedingungen ihrer Lebensumstände, ihre kulturellen und moralischen Maxime. Ein wenig stabiler Vorgang, hinterfragt man dessen reale Wertigkeit in Bezug auf eine weitere vernunftorientierte Entwicklung der menschlichen Spezies.
So führt der Glaube an eine lineare Geschichtsentwicklung, die Vorstellung einer kontinuierlichen Fortschrittsentwicklung zu keiner nutzbaren Erkenntnis. Doch hat diese Annahme der Geschichte als Einheit im Sinne einer Weltgeschichte das Handeln und Denken der westlichen Moderne geprägt. Anlass dieses Geschichtsverständnisses war das Christentum mit dessen Idee einer zeitlichen Bewegung der Reifung, vom Sündenfall hin zur Erlösung. Dieses linear teleonome Fortschrittsdenken übernahmen, die religiösen Aspekte abstreifend, die Aufklärung und der Deutsche Idealismus, sowie nachfolgend die positivistischen Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert. Sie postulieren eine, durch die Vernunft geleitete Geschichte, ein stetig fortwährender, technischen Fortschritt, dem auch zwingend ein gesellschaftlicher Fortschritt zugesprochen wird. Eine Annahme die bis heute als wesentliche Legitimation für politische Entscheidungen dient.
Eine fatale Fehleinschätzung, wenig im Lauf der Dinge dieser Welt ist verlässlich linear, kausal bedingt und zielgerichtet. Der geschichtliche Verlauf ist chaotisch und selten von pragmatischer Vernunft geleitet. Es ist ein zufälliges, diffuses Zusammenspiel von Funktion und Dysfunktion der Natur und des im Wesen der Menschen angesiedelten Lebens- und Machtwillens als Gegenpol zum Chaos der Zufälligkeit und Banalität jeder Existenz. Nachdem Jahrtausende lang die physikalischen und politisch soziologischen Abläufe einem kausalen Prinzip unterworfen schienen, ist seit dem 20. Jahrhundert, durch die Erkenntnisse der Quantenphysik bekannt, dass zumindest, dieser Annahme im physikalischen Bereich, nicht so ist. Diese Erkenntnis ist zwar der bildlichen Anschauung entzogen, doch erkenntnistheoretisch von eminenter Bedeutung, denn die apodiktische Annahme, dass ein kausales Prinzip den Ablauf aller Ereignisse zwingend bedingt, wird durch dieses Wissen problematisch.
Ereignisse, gleich welcher Art, stehen nicht zwangsläufig in einem kalkulierbaren, kausalen Zusammenhang. Diese Erkenntnis als Grundlage politischer und sozialer Orientierung könnte dazu beitragen, das stetig zunehmende weltpolitische Chaos zeitnah zu verstehen, um, ohne in langer Erstarrungsphase zu verharren, pragmatisch und effizient darauf zu reagieren. Alte, überholte Denkmuster sind den Menschen zwar von jeher lieb und teuer, doch besitzen sie meist nur einen musealen Wert und sind zu nichts mehr zu gebrauchen.

Klaus Schneider Juli 2022

Buchvorstellung


Trübe Sicht von Klaus A. Sartorius
Die Streitschrift stellt die moralische Kompetenz der Menschheit und die theoretische Option möglicher Handlungsfreiheit des Individuums infrage. Eine Kritik, ein Erklärungsversuch und eine Prognose sich abzeichnender, ruinöser sozialer Entwicklungstendenzen, die jedes verfügbare, empirisch verifizierte Wissen, jede, theoretisch mögliche Vernunft, außer Acht lässt. Warum handeln die Menschen in der Regel inhuman und unbedacht, obwohl alternative, ethisch vernünftigere und auch konsistentere Handlungsoptionen vorhanden wären? Setzen die begrenzten, geistigen Fähigkeiten hier zu enge Grenzen der Wahrnehmung, der Erkenntnis und in Folge der Vernunft? Ist nicht die Vernunft, sondern der egozentrische Selbsterhaltungstrieb, die zwingende Handlungsstrategie des menschlichen Geistes und somit die Annahme einer möglichen, besseren Welt eine naive Illusion?


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Angst – Schutz und Gefahr

 

 

In der Entwicklungsgeschichte der Menschheit kommt der Angst eine wichtige Funktion zu, als ein die Sinne ausbildender und Körperkraft aktivierender Schutz- und Überlebensmechanismus, der in realen oder auch nur fiktiven Gefahrensituationen ein entsprechendes Verhalten auslöst. Dies kann die Angst aber nur leisten, wenn weder zu viel davon das Handeln blockiert, oder zu wenig davon reale Gefahren und Risiken ausblendet.

Das Problem mit der Angst ist jedoch folgendes: Der Angstreflex ist von Natur aus sehr niederschwellig eingestellt. Eine pragmatische Disposition, da der Aufwand an überlebenswichtiger Energie bei einer Flucht relativ gering ist, das Risiko bei unkalkulierbaren Konfrontationen jedoch folgenschwere Auswirkungen, bis hin zum Tod, nach sich ziehen kann. Das hat die letzten Jahrzehnte dazu geführt, dass westliche Gesellschaften zunehmend ihr Heil in der Flucht vor allem und jenem suchen. Dazu zählen reale potenzielle Bedrohungen (Umwelt, Krieg, Terrorismus, usw.) und die ansteigende Ungewissheit durch die Zunahme gesellschaftlicher Komplexität. Der Primärgrund liegt wohl darin, dass für die Menschen in den westlichen Industrieländern viel auf dem Spiel steht- ihr Leben in physischer Unversehrtheit und abgesicherten, materiellen Umständen. Was das Angstpotential noch erhöht ist die sogenannte Kontingenzangst, das heißt die Angst vor der Unbestimmtheit, Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Optionsvielfalt, in der die Psyche sich nicht mehr zu Recht findet. Diese Form ist charakteristisch für unsere komplexen Gesellschaften und zeigt sich hier in der Zunahme psychischer Erkrankungen.

Die Gesellschaft wird zu den real existierenden Bedrohungen, viel von der Angst derer gefährdet und eingeschränkt, deren Handeln von zu viel, teils schon paranoider Angst bestimmt wird. Diese Form vergesellschafteter Angst ist folgenschwer, denn sie stellt ein unwiderstehliches Angebot an alle profilneurotischen Initiatoren repressiver Politik dar. Es ist für sie ein leichtes, das Spiel mit der Angst, vor allem, da das Risiko kein großes ist. Was vor solchen verderblichen Subjekten und deren Repressionsdruck schützen würde, wäre eine starke Gesellschaft, deren humanitäre Kultur maßgebend von Zivilcourage und weit weniger von Angst geleitet wird. Die Macht von autoritären, repressiven Systemen stützt sich vor allem auf Lügen und Angst. Lügen, die auf fruchtbare, nationaldümmliche Einfalt oder materielle Verlustängste fallen und der Angst, sich überhaupt des eigenen Verstandes zu bedienen, da dieses Tun eventuelle Nachteile für die eigene Person zur Folge haben könnte. Doch Angst war noch nie ein guter, nachhaltiger Ratgeber. Lassen die Menschen sich von ihr leiten, werden sie früher oder später die Rechnung bezahlen müssen und die übersteigt, der Erfahrung nach, jeden kurzzeitigen Vorteil, mit dem der Kniefall vor ihrer Angst honoriert wurde.

Klaus Schneider im März 2022

Was nun, was tun?

 

Nun ist das „theoretisch unmögliche“ als zynische Konsequenz des „praktisch undenkbaren“, eingetreten und im Osten von Europa tobt wieder ein Krieg. Die alte Weisheit, dass, wenn aus den Fehlern der Geschichte keine Lehren gezogen werden, diese sich wiederholen, bestätigt sich aufs Neue. Das Handeln von totalitären Regimen, gegen alle Menschenrechtskonventionen und jedem verbindlichen Völkerrecht, zu ignorieren, nur weil wirtschaftliche oder politische Interessen dies bedingen, ist die denkbar schlechteste Politik rechtsstaatlicher Demokratien. Das hatte seine Gültigkeit 1939 und ist bislang nicht widerlegt worden. Auch die Angst um die eigene Existenz als solche und als Laune der Geschichte noch in Wohlstand und Überfluss, besitzt keinen so bedeutenden Stellenwert, dass dafür die Bedingungen von Freiheit und Selbstbestimmung zur Disposition gestellt werden dürfen. Vor allen, da diese Freiheit und Selbstbestimmung ursächlich den aktuellen Wohlstand bedingt.

Das alles, was es zu bewahren und gegebenenfalls zu verteidigen gilt, ist auf den Ruinen Europas mit 60 Millionen Toten aufgebaut. Es war keinesfalls eine historische Selbstverständlichkeit, dass dies sich so entwickelt und noch weniger, dass es so lange Bestand hat. Die Umstände eines jeden beliebigen Zeitraumes sind flüchtig, werden sie nicht bewahrt, verändern sie sich, im positiven wie im negativen. Wenn nun die Beschaulichkeit, abgesehen von dem Zeitraum des Kalten Krieges, ihr Ende findet, so sollten die Europäer diese Herausforderung annehmen und sich ihr in Würde und Anstand stellen. Angst, Ignoranz und Dummheit führte vor 83 Jahren die Welt an den Abgrund. Diese Apokalypse abzuwenden, brachte unsägliches Leid über Europa und die Welt.
Die Lehre daraus sollte doch die sein, dass die Eigendynamik, einmal initiierter Gewalt, sich nur im Zeitraum ihrer Entstehung unter Kontrolle bringen lässt, und zwar dann, wenn konsequenter Widerstand eine unbeherrschbare Dynamik und Ausbreitung unterbindet. Opfer, in jeder Form, sind nicht zu vermeiden, doch der Teil, der in wirtschaftlichen Schäden – weniger Luxus und Wohlstand– zu verzeichnen ist, ist wohl am leichtesten zu verschmerzen. Es sollte auch bedacht werden, dass die Opfer, die eine Beseitigung aggressiver, inhumaner Machtpolitik immer fordert, sich exponentiell mit deren Dauer erhöht.
Europa, in seiner jetzigen demokratischen, rechtsstaatlichen und wirtschaftlich soliden Prägung, hat nur eine Chance zu überleben, wenn es den Staaten gemeinsam gelingt, sich gegen die imperialistischen Machtgelüste eines totalitären Regimes kompromisslos zur Wehr zu setzen. Das bedingt auch die kompromisslose Unterstützung der Ukraine, ohne dieses, teilweise schäbige Taktieren, um den Energielieferanten nicht zu sehr zu verärgern. Diese Unterstützung, in jeder denkbaren Form, ist alternativlos, oder kann jemand ernsthaft daran glauben, dass diese Aggression, dieser Machthunger eines Despoten, mit und nach diesem Krieg verschwindet und die heile, beschauliche Welt zurückkehrt? Es ist eines denkenden Menschen unwürdig, solchen naiven Illusionen nachzuhängen.

Klaus Schneider im März 2022