Der Begriff Toleranz stammt aus dem lateinischen tolerare, was soviel wie „erdulden, ertragen“, nachsichtig und weltoffen bedeutet. Damit ist schon der grundlegende Sinn von Toleranz, die Duldsamkeit, das Gelten lassen und Gewähren lassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten, beschrieben.
Ein an sich absolut nobles, moralisches Prinzip, mit dem sich aufgeschlossene, gebildete Menschen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gerne identifizieren. Doch wie die meisten Prinzipien, mit der die Menschheit versucht ihr Zusammenleben, optimal zu gestalten bzw. regulieren, weist auch dieses ein grundsätzliches Problem auf. Dieses zeigt sich in der, im Wesen des Menschen verankerten Intoleranz, einer bewährten Überlebensstrategie der Evolution. Diese Intoleranz lehnt grundsätzlich erst einmal alles ab, was von unbekannter Herkunft, unerprobter Wirkung bzw. Auswirkung ist und daher potenziell gefährlich und schädlich sein könnte.
Diese Reaktion ist auch bei einer arglos naiven Toleranz, gegenüber ausgeprägt starrsinniger Intoleranz, zu beobachten. Dies besonders bei ethnischen Gruppen, sozialen Schichten, in deren Weltbild die Toleranz den Makel der Schwäche aufweist. Es ist illusorisch, dass in diesen Kreisen die Toleranz einen hohen Stellenwert genießt. Im Gegenteil, sie werden mit all ihrem inhärenten archaischen Urinstinkt versuchen, die Schwäche der Toleranz gegenüber ihrer robusten Intoleranz, zu ihrem Vorteil auszunutzen. Sie werden die Gegebenheiten so verändern, so gestalten, dass sie der Toleranz nicht mehr bedürfen. Dann wird der aufgeschlossene, tolerante Mensch, der Toleranz nicht mehr bedürfen, er wird nun auf die Toleranz derer, die er bislang großzügig tolerierte, angewiesen sein. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob ihm die Resonanz auf seine, manches Mal naiv ausgelebte Toleranz, gefallen wird.
Klaus Schneider Mai 2019