Der Wille zur Würde

 

Die Gesamtheit der seelischen Empfindungen und der daraus möglichen Inspirationen und Fantasien definiert die psychische Disposition eines Menschen und per se, seine individuelle geistige Substanz. Diese steht in direkter Abhängigkeit mit dem Arrangement, das der Mensch mit den, sein Leben bestimmenden Umständen, getroffen hat. „Kein Mensch muss müssen“, sagt der Jude Nathan in Lessings Gedicht. Doch das Leben ist voller Zwänge, deren Akzeptanz das virtuelle Gedeihen einer Existenz protegieren. Das heißt dann oft aber auch, den eigenen Willen, die Würde, die geistige Kompetenz mit Bewusstsein vernünftig zu handeln, zu kompromittieren und sich so selbst seiner individuellen Würde zu berauben. Die Resignation des eigenen Willens vor einem, vermeintlich existenziell unabdingbarem Verhaltenskodex, substanzloser, trivialer, materieller Art, ohne ethische Substanz, ist eine charakterliche Bankrotterklärung. Diese ist weit schlimmer und tief greifender als ein materieller Ruin es je sein kann. Was stellt ein Mensch dar, den lediglich ein gefälliger Schein auszeichnet – eine würdelose Kreatur ohne Stolz und eigenen Wert. Da nützt alle Schönrederei, alle gefällige Interpretation nichts, denn nicht die Hülle, sondern das Innere definiert den Wert eines jeden menschlichen Wesens, erhebt oder erniedrigt es bis zur Belanglosigkeit.
Klaus Schneider Februar 2020

 

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