Europa – Chance oder Fluch der Geschichte

Teil 1 Wie alles begann

Europa, ein Subkontinent, der mit Asien zusammen den Kontinent Eurasien bildet. Aus historisch kultureller Sicht wird Europa als eigenständiger Kontinent betrachtet. Diese historisch kulturellen Aspekte definieren Europa prägnanter als die geografisch schwierige Abgrenzung zu Asien. Seit Mitte des 20 Jahrhunderts  traten, aus zwingender Notwendigkeit, die zwei verheerende Weltkriege aufzeigten, noch politisch, wirtschaftliche und mit Gründung der Europäischen Union, auch rechtliche Analogien hinzu. Für dieses Gebilde Europa, mit seinen prägenden, meist fortlaufenden, teils sehr konträren Stammesgeschichten, sieht die Wissenschaft den Ursprung in der Jungsteinzeit (Neolithikum), eine Entwicklungsgeschichte von ca. 7 500 Jahren bis in die heutige Zeit.

Europas Mythos und Geschichte

Der Name des Kontinentes leitet seine Herkunft von einer schönen phönizischen Jungfrau und Königstochter ab. Göttervater Zeus bemerkte die Schöne, und da sein Hang zur weiblichen Schönheit sich oft seiner Kontrolle entzog, fühlte er den unwiderstehlichen Drang, seine Trophäensammlung diesbezüglich zu ergänzen. Um dem Argwohn seiner eifersüchtigen Gemahlin zu entgehen und das Zutrauen der schönen Jungfrau einzuheimsen, nahm er mit routiniert göttlicher Raffinesse die Gestalt eines Stieres mit weißem Fell an. Die Königstochter erblühte sogleich in Zuneigung zu dem edlen Tier und begann es zu liebkosen und setzte sich zuletzt noch auf seinen Rücken. Ein verzeihlicher Fehler, den der brunftige Göttervater schamlos ausnützte, und mit der zarten Beute auf dem Rücken losstürmte. Er durchquerte das Meer und erreichte schließlich Kreta. Dort zeigte er sich der Schönen in seiner ursprünglichen Gestalt, sie gefiel ihm wohl auch und so zeugten sie drei Kinder. Der fremde Erdteil wurde dem Mythos entsprechend und einer Verheißung der griechischen Göttin, Aphrodite, nach der schönen Europa benannt.

Die Geschichte Europas ist die Geschichte der westlichen Zivilisation, die allgemein als Maßstab für „Zivilisation“ an sich, angesehen wird. Sie entwickelte sich aus dem Mythos einer Götterwelt, dem Substrat geistig, kultureller Entwicklung vieler antiker Kulturen. Nach einer intellektuellen Emanzipation, bei der das Götterwesen infrage gestellt oder wenigstens einen dem praktischen Leben nur geringen rituellen Einfluss zugestanden wurde, entwickelte sich die Hochkultur der Griechen. Eine noch nie da gewesene kontinentale Kultur, mit einer Wissenschaft, die nach dem Wie auch nach dem Warum fragte, die Geburtsstunde einer erkenntnisfähigen Wissenschaft. Auch etablierten sich die politische Systeme, die heute, nach 2 500 Jahren, nichts von ihrer Bedeutung verloren haben.

Unter dem didaktischem Einfluss griechischer Wissenschaftler und Künstler etablierte sich in dem, den Griechen nachfolgenden, Römischen Imperium, eine griechisch-römische Kultur. Für die Römer bedeutete die Vermengung mit einer höher entwickelten Kultur kein ideelles Problem, sie waren sehr anwendungs- bezogen veranlagt. Was besser war als die etablierten, traditionellen Positionen, wurde im Interesse der Macht, dem Reich einverleibt. Das Imperium gedieh unter solch sachbezogener Verwaltungspolitik – anstatt hemmender dogmatischer Ideologien, prächtig. Es entwickelte sich eine politisch, rechtlich, militärische und wirtschaftliche Genialität, die mit Entstehung der Römischen Republik über die Kaiserzeit fast 1000 Jahre Bestand hatte. Eine sehr lange Zeitdauer, die das kolonisierte Europa entscheidend prägte und formte. Ein Großteil Europas war römisch und entwickelte sich römisch auch aus Ermangelung einer konkurrenzfähigen eigenen Kultur. Eine bis heute sichtbare Tatsache, verdeutlicht an dem noch aktuellen Einfluss des römischen Rechts. Dieses weist einen hohen Abstraktionsgrad auf und verzichtet auf religiöse Legitimation, so dass es einer Anwendung auf die heute existenten Gesellschafts- und Wirtschaftsformen offen steht. In Deutschland ist das aktuelle bürgerliche Recht vom römischen Recht geprägt, was vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch ersichtlich wird.

Nachdem das Römische Reich gegen Ende des 4. Jahrhunderts nach Christus das Christentum zur vorherrschenden Religion im Reich erklärte, ging infolge religiös, dogmatischer Pedanterie die griechische Kultur, insbesondere der Freigeist der Philosophie, in den Ruf der Gotteslästerei über. Sie kollidierte mit dieser  pupertierenden Religion, in deren Verständnis  jeder Gedanke an Toleranz als Gotteslästerei angesehen wurde und geriet im europäischen Raum für lange Zeit in Vergessenheit.

Die Wirren der Völkerwanderungszeit und Konflikte mit umherziehenden Stämmen führten gegen 500 nach Christus zum Untergang und Ende des Weströmischen Reiches (Das Römische Reich teilte sich 395 in die östliche Hälfte, Byzanz und die westliche Hälfte, Rom ) Infolge des Machtvakuums im Weströmischen Reich drangen die, mittlerweile kulturell hoch entwickelten Araber, gegen 700 nach Christus, über die Mittelmeerküste nach Spanien vor und mit ihnen der Einfluss des Islams. Dies bedeutete zugleich das Enden der Antike.

In der folgenden Epoche des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter degenerierte die städtische Kultur und die Menschen wandten sich wieder ländlichen Gemeinschaften zu. Der Feudalismus ersetzte die römische Verwaltungsstruktur mehr schlecht als recht, die damit in kleine Fragmente zerfiel. Die einzige Institution, die den Zusammenbruch des westlichen Reiches überlebte, war die Kirche, die einen Teil des römischen kulturellen Erbes bewahrte und bis zum 14. Jahrhundert Zentrum der Bildung und Wissenschaft war.

Das europäische Mittelalter prägte besonders Karl der Große, der im Jahre 800 römischen Kaiser wurde und in dessen Nachfolge sich das Heilige Römische Reich etablierte. Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Spätmittelalter bis 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen römisch-deutschen Herrscher ab, die die Tradition des antiken Römischen Reiches fortsetzen wollten um die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Dieses Gebilde erfüllte nie den Anspruch eines homogenen Staatsgebildes, es verzettelte sich zunehmend in politischen Balanceakten zwischen einer imaginären Zentralgewalt (Kaiser) der seine Machtansprüche nie ohne wechselnde Koalitionen mit den Ständen oder Landesherren durchsetzen konnte.

Unter diesen Bedingungen erstarkten die Herrscher der Nationalstaaten, sie wurden mächtig und taten das, was Despoten so auszeichnet, sie verbissen sich in starke Konkurrenzkämpfe mit ihresgleichen um die Vormachtstellung. In Deutschland entstanden so die Staaten im Staat, andere europäische Länder zogen den Zentralstaat vor, wie z. B. Frankreich und Spanien. Die Kirche geriet unter Druck und musste sich mehr und mehr den weltlichen politischen Einflüssen beugen. Fortschritte in den Wissenschaften stellten ihre Lehren zunehmend infrage.

Ab dieser Ära entwickelte die europäische Geschichte die Gegebenheiten, die letzten Endes in einem direkten Bezug zur Gegenwart stehen. Die kommenden Jahrhunderte formten die Menschen im Sinne eines Nationalbewusstseins nachhaltig. In diesem Sinn formte sich auch die gedankliche  Basis der Bewertung  geopolitischer Fragen.

Klaus Schneider Februar 2017