Europa – Der Weg aus dem Gestern – Teil 2

 

Teil 2 Der Aufstieg Europas

Der Aufstieg Europas nahm seinen Anfang im 15. und 16. Jahrhundert. Die säkularisierenden Einflüsse der Renaissance verschafften den weltlichen Herrschern die alleinige Deutungshoheit ihrer Interessen. Es entstanden gewichtige Nationalstaaten wie England, Frankreich, Spanien, Portugal und die Niederlande. Sie trieben die Erforschung und im nationalen Interesse die Eroberung großer Teile der Welt voran. Den Beginn dieser Expansionsphase leiteten Spanien und Portugal ein, die die ersten Kolonien in Südamerika sowie Handelsposten an den Küsten Afrikas und Asiens gründeten. Frankreich, England und die Niederlande folgten ihnen nach. Rein machtstrategische Interessen der europäischen Staaten innerhalb des Kontinents wichen national ökonomischem Kalkül.

Innereuropäische Konflikte, wie dies der Dreißigjährige Krieg, zeigte, dienten letzten Endes nur dazu, die Machtverhältnisse zu konsolidieren, die konfessionelle Einheit der oder des jeweiligen Staatsgebildes im Sinne einer Staatsgewalt zu festigen. Im Gebiet des Deutschen Reiches schwächte es die, teilweise noch vorhandene Zentralautorität, entscheidend und führte in die absolute Souveränität der Kleinstaaten und ihrer Landesherren, was aber in Folge den machtpolitischen Exitus in Europa bedeutete. Als Folge dieses Konfliktes etablierte sich auf dem Kontinent der Absolutismus, der in Frankreich unter der Herrschaft Ludwigs XIV. seine deutlichste Form aufzeigte. Vom ökonomischen Gesichtspunkt zeigte dieser Krieg aber auch auf, dass mit innereuropäischen Konflikten kaum noch ein nachhaltiger wirtschaftlicher Vorteil zu erzielen war.

Koloniales Machtstreben

Die Potentaten Europas benötigten zum Erhalt ihrer absoluten Herrschaft enorme Mengen an Kapital, welches allein durch die Ausbeutung ihrer Bevölkerung nicht zu beschaffen war.  Als Spanien und Portugal die unterjochten Völkern Süd- und Mittelamerikas ausplünderten und damit die Messlatte weit anhoben, stand nun die Frage der Größenordnung von verfügbarem Kapital im Fokus machtpolitischer Erwägungen. Die zentralistisch regierten Staaten Europas, die als Einheit über eine machtpolitische Potenz verfügten, brachten sich in die marodierende Meute ein, der Wettlauf um die größte Beute nahm ihren peinlichen Verlauf. Die Operettenstaaten Deutschlands standen bis Anfang des 19. Jahrhunderts abseits, nicht aus moralischer Einsicht, sie verfügten einfach nicht über die nötige Potenz um im Konzert der Großen mitzuspielen.

Bei den folgenden Expansions-bestrebungen, die die europäischen Mächte infolge ihres militärischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstandes und der daraus resultierenden Arroganz kultureller Hegemonie, auf die ganze Welt ausdehnten, stand der Staatskapitalismus in seiner reinsten Form Pate. Die „Staaten“ bereicherten sich, ein Reichtum der jedoch, bis er durch die Filter hierarchisch gestaffelter Raffgier sickerte, für die unteren Schichten der Untertanen nur marginal zu spüren war.

Industrielle Revolution

Als industrielle Revolution wird der Prozess der Einführung der Massenproduktion in Fabriken und die damit einhergehende Ablösung der zentralen Bedeutung der Agrarwirtschaft bezeichnet.

Der Beginn der industriellen Revolution wird auf das späte 18. Jahrhundert datiert. Sie nahm ihren Anfang in England und hatte sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts in fast ganz Europa durchgesetzt.    Der Begriff „Industrielle Revolution“ leitet sich unter anderem aus der Erfindung von neuen Antriebstechniken, wie der Dampfmaschine und neuer Arbeitsmaschinen, wie des mechanischen Webstuhls ab. Mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten von mechanischen Produktionsmitteln begann eine Periode ungezügelter Industrialisierung, die bis zum heutigen Tag kaum etwas von ihrer Dynamik eingebüßt hat. Die Industrielle Revolution zeigte auf den ersten Blick eine Alternative zur Abhängigkeit  von der ständisch-agrarischen Gesellschaftsordnung auf, doch führte sie die Menschen lediglich von dieser Abhängigkeit in jene von Kapitalinteressen. Die Industrielle Revolution war eine vorrangig rein wirtschaftliche Umwälzung, bei der der arbeitende Mensch, der Proletarier, vom Handwerker, Bauern oder Tagelöhner  zu Produktionskapital degenerierte. Einen Vorteil barg dieser Umstand aber doch, die Möglichkeiten sein Kapital, seine Arbeitskraft zu verkaufen und zu überleben, stieg mit der fortschreitenden Industrialisierung. Zwar verelendeten die Massen nun in den Städten, doch sie konnten sich meist ernähren. In ihrer bäuerlichen Vergangenheit torkelten sie von einer Missernte in die andere, in Hungersnöte und Seuchen. Der nun aufkommende Kapitalismus hielt sein Produktionskapital weitgehend am Leben, nicht aus Humanität, sondern aus rein ökonomischen Interessen. Die Industriegesellschaft kennt, die Zeiten der Kriege ausgenommen, keinen Hunger mehr, selten noch pandemieartige Seuchen, die als wirtschaftlicher Hemmschuh mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden, im Interesse des Kapitals, weniger in dem der Menschen.

Mit der industriellen Revolution setzte sich der Kapitalismus in Europa als eine Art primäres Ordnungs- und Glaubensbekenntnis fest, sinngemäß dem religiösen Vorgänger folgend „Ich glaube an das Kapital, das Allmächtige,  Schöpfer des Himmels und der Erde“. Da schon Friedrich Nietzsche vermutete, dass „Gott toth sei“, benötigte der Mensch schließlich ein neues Götzenbild. Dass der überwiegende Teil der Bevölkerung, wie auch in den klerikal dominierten Epochen, wieder zu den Verlieren zählte, schien diese nur geringfügig zu stören, Hauptsache die Affen bekamen ihren Zucker.

Französische Revolution

Eine fast zur Gänze positiv zu bewertende, ideologische Um- wälzung setzte die Französische Revolution von 1789 bis 1799 mit ihrem Motto Liberté, égalité, fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) in Gang. Sie gehört zu den prägnanten, richtungs-weisenden Ereignissen der neueren europäischen Geschichte. Die Beseitigung des feudal-absolutistischen Ständestaats, die Deklaration und Umsetzung humaner Prinzipien und Ideen der Aufklärung, lösten sukzessiv immense macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa aus. Sie prägen bis heute das moderne Demokratieverständnis und waren aus heutiger Sicht bewertet, ein entscheidendes Moment für die intellektuelle Evolution Europas.

Napoleon

Die nachfolgende direkte und indirekter Herrschaft Napoleons über große Teile Europas nahm zeitweilig Einfluss auf den gesamten deutschsprachigen Raum. Durch die von ihm initiierte Auflösung des deutschen Reichsgebildes 1806, wurde auch die staatliche Neugestaltung Mittel-europas zu einer zentralen Frage des 19. Jahrhundert. Napoleon katapultierte damit Deutschland in sein nationales Zeitalter. Durch seine Eroberungen und Reformen fanden die Deutschen mehr denn je zueinander. Was ihm gelangt, hatte zuvor niemand erreicht: die politische Initiierung der „deutschen Nation“.

Die Ära nach Napoleons Niederlage bis zur Revolution von 1848 war eine Zeit des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umbruchs. Die als überwiegend positiv empfundenen Erfahrungen mit der französischen Verwaltungs- und Rechtspraxis leiteten einen nicht mehr revidierbaren gesellschaftlichen Wandel ein. Neue soziale Schichten, zuerst vor allem das Bürgertum, später auch die Arbeiterschaft, forderten ihren Platz in Staat und Gesellschaft ein. Der Adel hatte seine führende Rolle eingebüßt. Die Verelendung großer Bevölkerungsteile wirkte sich nicht nur auf die soziale Existenz der unteren Gesellschaftsschichten aus, sondern auch auf das politische Verhalten dieser Menschen. Letztendlich führten diese Missstände zu den politischen Anschauungen, die zur ideologischen Basis der radikalen demokratisch-republikanischen Kräfte wurden.

Europäische Revolutionen

Als die Europäische Revolutionen von 1848/1849 werden die revolutionären Erhebungen in verschiedenen Fürstentümern Europas bezeichnet. Ein Aufbegehren gegen die verweigerte Modernisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Herrschaftssysteme. Diese Revolutionsbewegung stellt ein Teil eines gesamteuropäischen Widerstandes gegen das „System Metternich“, das die Herrschaftsverhältnisse nach der Niederlage Napoleons im monarchistisch, feudalistischem Sinn regelte. Auch wenn dieser Widerstand nicht spontan Resultate  zeigte, so bewirkte er zumindest, dass die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die mit der Industriellen Revolution und der Französischen Revolution begonnen hatten, sich weiterentwickelten

Die Revolutionsbewegung von 1848/1849 war ein bedeutender Wendepunkt der europäischen Geschichte und einer der Gründe für den übersteigerten Nationalismus in den meisten Staaten Europas während der Zeit nach 1849, einer Ära der Unterdrückung, die in das Zeitalter des Imperialismus mündete.

Klaus Schneider 12.02.2017

Europa – Chance oder Fluch der Geschichte

Teil 1 Wie alles begann

Europa, ein Subkontinent, der mit Asien zusammen den Kontinent Eurasien bildet. Aus historisch kultureller Sicht wird Europa als eigenständiger Kontinent betrachtet. Diese historisch kulturellen Aspekte definieren Europa prägnanter als die geografisch schwierige Abgrenzung zu Asien. Seit Mitte des 20 Jahrhunderts  traten, aus zwingender Notwendigkeit, die zwei verheerende Weltkriege aufzeigten, noch politisch, wirtschaftliche und mit Gründung der Europäischen Union, auch rechtliche Analogien hinzu. Für dieses Gebilde Europa, mit seinen prägenden, meist fortlaufenden, teils sehr konträren Stammesgeschichten, sieht die Wissenschaft den Ursprung in der Jungsteinzeit (Neolithikum), eine Entwicklungsgeschichte von ca. 7 500 Jahren bis in die heutige Zeit.

Europas Mythos und Geschichte

Der Name des Kontinentes leitet seine Herkunft von einer schönen phönizischen Jungfrau und Königstochter ab. Göttervater Zeus bemerkte die Schöne, und da sein Hang zur weiblichen Schönheit sich oft seiner Kontrolle entzog, fühlte er den unwiderstehlichen Drang, seine Trophäensammlung diesbezüglich zu ergänzen. Um dem Argwohn seiner eifersüchtigen Gemahlin zu entgehen und das Zutrauen der schönen Jungfrau einzuheimsen, nahm er mit routiniert göttlicher Raffinesse die Gestalt eines Stieres mit weißem Fell an. Die Königstochter erblühte sogleich in Zuneigung zu dem edlen Tier und begann es zu liebkosen und setzte sich zuletzt noch auf seinen Rücken. Ein verzeihlicher Fehler, den der brunftige Göttervater schamlos ausnützte, und mit der zarten Beute auf dem Rücken losstürmte. Er durchquerte das Meer und erreichte schließlich Kreta. Dort zeigte er sich der Schönen in seiner ursprünglichen Gestalt, sie gefiel ihm wohl auch und so zeugten sie drei Kinder. Der fremde Erdteil wurde dem Mythos entsprechend und einer Verheißung der griechischen Göttin, Aphrodite, nach der schönen Europa benannt.

Die Geschichte Europas ist die Geschichte der westlichen Zivilisation, die allgemein als Maßstab für „Zivilisation“ an sich, angesehen wird. Sie entwickelte sich aus dem Mythos einer Götterwelt, dem Substrat geistig, kultureller Entwicklung vieler antiker Kulturen. Nach einer intellektuellen Emanzipation, bei der das Götterwesen infrage gestellt oder wenigstens einen dem praktischen Leben nur geringen rituellen Einfluss zugestanden wurde, entwickelte sich die Hochkultur der Griechen. Eine noch nie da gewesene kontinentale Kultur, mit einer Wissenschaft, die nach dem Wie auch nach dem Warum fragte, die Geburtsstunde einer erkenntnisfähigen Wissenschaft. Auch etablierten sich die politische Systeme, die heute, nach 2 500 Jahren, nichts von ihrer Bedeutung verloren haben.

Unter dem didaktischem Einfluss griechischer Wissenschaftler und Künstler etablierte sich in dem, den Griechen nachfolgenden, Römischen Imperium, eine griechisch-römische Kultur. Für die Römer bedeutete die Vermengung mit einer höher entwickelten Kultur kein ideelles Problem, sie waren sehr anwendungs- bezogen veranlagt. Was besser war als die etablierten, traditionellen Positionen, wurde im Interesse der Macht, dem Reich einverleibt. Das Imperium gedieh unter solch sachbezogener Verwaltungspolitik – anstatt hemmender dogmatischer Ideologien, prächtig. Es entwickelte sich eine politisch, rechtlich, militärische und wirtschaftliche Genialität, die mit Entstehung der Römischen Republik über die Kaiserzeit fast 1000 Jahre Bestand hatte. Eine sehr lange Zeitdauer, die das kolonisierte Europa entscheidend prägte und formte. Ein Großteil Europas war römisch und entwickelte sich römisch auch aus Ermangelung einer konkurrenzfähigen eigenen Kultur. Eine bis heute sichtbare Tatsache, verdeutlicht an dem noch aktuellen Einfluss des römischen Rechts. Dieses weist einen hohen Abstraktionsgrad auf und verzichtet auf religiöse Legitimation, so dass es einer Anwendung auf die heute existenten Gesellschafts- und Wirtschaftsformen offen steht. In Deutschland ist das aktuelle bürgerliche Recht vom römischen Recht geprägt, was vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch ersichtlich wird.

Nachdem das Römische Reich gegen Ende des 4. Jahrhunderts nach Christus das Christentum zur vorherrschenden Religion im Reich erklärte, ging infolge religiös, dogmatischer Pedanterie die griechische Kultur, insbesondere der Freigeist der Philosophie, in den Ruf der Gotteslästerei über. Sie kollidierte mit dieser  pupertierenden Religion, in deren Verständnis  jeder Gedanke an Toleranz als Gotteslästerei angesehen wurde und geriet im europäischen Raum für lange Zeit in Vergessenheit.

Die Wirren der Völkerwanderungszeit und Konflikte mit umherziehenden Stämmen führten gegen 500 nach Christus zum Untergang und Ende des Weströmischen Reiches (Das Römische Reich teilte sich 395 in die östliche Hälfte, Byzanz und die westliche Hälfte, Rom ) Infolge des Machtvakuums im Weströmischen Reich drangen die, mittlerweile kulturell hoch entwickelten Araber, gegen 700 nach Christus, über die Mittelmeerküste nach Spanien vor und mit ihnen der Einfluss des Islams. Dies bedeutete zugleich das Enden der Antike.

In der folgenden Epoche des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter degenerierte die städtische Kultur und die Menschen wandten sich wieder ländlichen Gemeinschaften zu. Der Feudalismus ersetzte die römische Verwaltungsstruktur mehr schlecht als recht, die damit in kleine Fragmente zerfiel. Die einzige Institution, die den Zusammenbruch des westlichen Reiches überlebte, war die Kirche, die einen Teil des römischen kulturellen Erbes bewahrte und bis zum 14. Jahrhundert Zentrum der Bildung und Wissenschaft war.

Das europäische Mittelalter prägte besonders Karl der Große, der im Jahre 800 römischen Kaiser wurde und in dessen Nachfolge sich das Heilige Römische Reich etablierte. Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Spätmittelalter bis 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen römisch-deutschen Herrscher ab, die die Tradition des antiken Römischen Reiches fortsetzen wollten um die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Dieses Gebilde erfüllte nie den Anspruch eines homogenen Staatsgebildes, es verzettelte sich zunehmend in politischen Balanceakten zwischen einer imaginären Zentralgewalt (Kaiser) der seine Machtansprüche nie ohne wechselnde Koalitionen mit den Ständen oder Landesherren durchsetzen konnte.

Unter diesen Bedingungen erstarkten die Herrscher der Nationalstaaten, sie wurden mächtig und taten das, was Despoten so auszeichnet, sie verbissen sich in starke Konkurrenzkämpfe mit ihresgleichen um die Vormachtstellung. In Deutschland entstanden so die Staaten im Staat, andere europäische Länder zogen den Zentralstaat vor, wie z. B. Frankreich und Spanien. Die Kirche geriet unter Druck und musste sich mehr und mehr den weltlichen politischen Einflüssen beugen. Fortschritte in den Wissenschaften stellten ihre Lehren zunehmend infrage.

Ab dieser Ära entwickelte die europäische Geschichte die Gegebenheiten, die letzten Endes in einem direkten Bezug zur Gegenwart stehen. Die kommenden Jahrhunderte formten die Menschen im Sinne eines Nationalbewusstseins nachhaltig. In diesem Sinn formte sich auch die gedankliche  Basis der Bewertung  geopolitischer Fragen.

Klaus Schneider Februar 2017

Problemfall Wissen und Meinen

Wesentliche Teile der menschlichen Kommunikation, wie auch die in diesem Blog, beruhen auf dem Drang nach „Erkennen, nach Erkenntnis“, auf Fragen und Antworten oder ganz banal: auf Neugier. Neugier ist eine intensive Stimulanz der menschlichen Natur, Neues zu erfahren, ein Teil seiner Überlebens- und Entwicklungsstrategie.

Neugier fokussiert sich einmal auf die aktuelle Informationsflut, – die praktische, emotionale und anregende, die temporäre Form von Neugier. Sie kann sich aber auch auf forschungs- und verstandesmäßiges Wissen richten (Wissbegierde) – die konstitutive Form der Neugier.

Neugier bezieht sich auf existentes Wissen zu einer interessierenden Fragestellung, ein Drang nach Wissen. Die Frage an einen Menschen nach dem Ziel seiner Neugier würde er überwiegend so definieren – Wissen zu erlangen…… um seine Neugier zu befriedigen. Neugier wird durch die menschliche Kommunikation, verbal oder in geschriebener Form gestillt. Menschen erhalten durch Menschen, die MEINEN zu WISSEN, Informationen zu oder über einen Sachverhalt.

Die Problematik der menschlichen Kommunikation: Meinen und Wissen sind zwei völlig verschiedene Erkenntniszustände.

Wissen ist streng genommen die Einsicht in absolut gesicherte, bis dato unwiderlegte, objektive und unveränderliche Erkenntnisse. Meinen bedarf lediglich einer Aussage zu einem Sachverhalt und kein gesichertes, objektives Wissen.

In einem einfachen Beispiel ausgedrückt: Ein Auto kostet laut schriftlichem Angebot des Händlers    25 650.- €. Das Angebot ist 2 Monate bindend, also ist dieser Preis die nächsten 2 Monate eine absolute, unveränderliche Erkenntnis. Wenn nun aber jemand sagt, dass jenes Auto 25 650.- € koste, ohne dass er ein verbindliches Angebot vorliegen hat, ist das kein Wissen, es ist eine Annahme, also lediglich eine Meinung, wenn auch eine zufällig richtige. Wenn diese Meinung nicht als Wissen deklariert wird, kann sie richtig oder falsch sein und hat als Meinung ihre Berechtigung. Sollte diese Information aber als Wissen deklariert werden, „ich weiß es“, erfüllt sie nicht die Bedingungen des Wissens, sie könnte falsch sein und es gibt kein falsches Wissen.

Meinen kann richtig oder falsch sein, Wissen kann nicht falsch sein, ansonsten verliert der Gehalt einer Aussage die Autorität des Wissens.

Die Argumentation mittels Wissen steht in der Regel bei der menschlichen Kommunikation auf dünnen Beinen, da jedermann nur über einen beschränkten Fundus an gesichertem Wissen verfügt. Die alltägliche Kommunikation zieht ihren Esprit aus Meinungen. Wissen als ausschließliche Basis einer Argumentation würde diese im Keim ersticken, denn alles Gesagte müsste folglich richtig sein.

Wenn nun Gespräche, Diskussionen ihre Vitalität überwiegend aus Meinungen beziehen, die richtig, aber auch falsch sein können, so sollte dieser Umstand etwas mehr Beachtung finden. Eine Meinung zu haben ist jedermanns gutes Recht, auch wenn sie objektiv falsch sein sollte. Es wären beide Parteien eines Gespräches, einer Diskussion, gut beraten, dies als Wertschätzung des Gegenübers zu beachten, denn in der Regel kennzeichnen spekulative Meinungen kontroverse Gespräche. Spekulative Meinungen kontra spekulative Meinungen, Kontrahenten auf dünnem Eis, ein klassischer Fall in dem zumindest Toleranz und Anstand eine tragende Rolle spielen sollten, um zu halbwegs gesicherter Erkenntnis zu gelangen.

Klaus Schneider Februar 2017

Mautdebakel, Dank den Dilettanten

 

Mehr Schein als Sein

Maut für Ausländer oder kleinkarierter

Provinzdünkel

Ein dummes, unbesonnenes Wahlversprechen der CSU aus dem Jahr 2013 an die rechte Klientel ihrer Urnengänger. Wahlkampf unter völliger Missachtung marginal vorhandenen Resten von Sinn und Verstand. Eine Praktik, tief verwurzelt in den Analen politischer Parteien, die seit jeher mit Vorliebe im intellektuellen Trübsinn fischen, die das Gewissen weißblauer Provinzpolitikern nicht über Gebühr belasten dürfte. Bierzeltdemagogen einer Partei, die fast 30 Jahre nach dem Ableben ihres Übervaters, sich weiter unverdrossen in dessen geistigem Erbe suhlen. „Dem Volk aufs Maul schauen“ analog bedeutet das nicht weniger wie „dem Volk nach dem Maul reden und handeln“. Eine Bauernfängerei der Populisten dieser Welt und so unverschämt erfolgreich.

Zieht man die nüchternen Fakten dagegen ins Kalkül so stellt sich die Frage: wer braucht in diesem Land eine Maut für durchreisende Ausländer, die sich größtenteils aus Bürger der Europäischen Union zusammensetzen dürften? Verärgerte bayrische Pendler oder Kurzurlauber die in Österreich, Italien, sich die Kosten ihrer Pickerl, Vignetten und Bons zusammenrechnen und die Verursacher selbiger deftig verfluchen. Spielen da etwa schäbige Vergeltungs- oder Rachegedanken eine kleinkarierte, beschämende Rolle?

Solche Unterstellungen werden empört zurückgewiesen. Die Befürworter argumentieren mit dem Einwand der Gerechtigkeit für alle. Ein unüberlegter Einwand, denn würde dieser konsequent interpretiert fände der Disput hier ein Ende. Ja, wir führen eine Autobahnmaut ein, eine Maut für alle, so wie unsere Nachbarn als Vollzahler in das jeweilige Mautsystem eingebunden sind, so werden auch wir als Vollzahler eingebunden. Das ist gerecht und konform mit europäischem Recht. Ende der Diskussion. Nein das wollen sie auch nicht, also doch ein kaschierter Stimmenfang beim bildungsfernen rechtslastigem Wahlvolk. Ist diese Klientel ein Diktat, der stärksten Wirtschaftsmacht der EU auf Biegen und Brechen wert?

Ökonomisch liegt keine rationale Erklärung vor, warum ein immenser Bürokratie-Aufwand in Gang gesetzt werden soll, einschließlich Erhebung und Rückerstattung der Maut für Inländer, um am Ende ein Aufkommen zu generieren, das die halbe Milliarde Euro nicht nennenswert überschreiten wird, wenn dieser Betrag überhaupt erreicht wird. Zweifel kommen aus allen Ecken, auch der Bundesrechnungshof sieht die Kosten- Nutzenrechnung der Mauterhebung kritisch. Die Einnahmeprognosen sind mit erheblichen Risiken verbunden, der Aufwand für die Administration der Mauterhebung liegt in einem zum Erlös kritischen Bereich.

Nun hat der politische Dilettantismus der bayrischen „Mautler“ die ganze Republik in eine Zwickmühle gebracht. Zur Stützung des großspurigen Versprechens, dass deutsche Autofahrer nicht zusätzlich zur Kasse gebeten würden, wurde dem Vorhaben eine Kfz-Steuerreform vorgestellt, die Mindereinnahmen von rund 3,7 Milliarden Euro generiert. Kippt die Maut letztendlich durch den Europäischen Gerichtshof… eine teure Blamage! Wo und wie bringt dann die menschgewordene schwarze Null diesen Betrag wieder in den Bundeshaushalt? Noch verneinen die Initiatoren dieses dämlichen Vorhabens die Option, aus der Maut für Ausländer eine Maut für alle zu machen, die auch deutsche Autofahrer zusätzlich belastet, doch wie heißt es so treffend: „In der Not frisst der Teufel auch Fliegen“. „Zum größten Profiteur dieses fragwürdigen Vorhabens, sollte es denn je realisiert werden, wird die CSU. Sie zeigt, wie man mit reiner Symbolpolitik europäisches Recht beugt. Zum größten Verlierer werden auf lange Sicht die Autofahrer in Deutschland. Denn ist eine Maut, eine Abgabe (sh. Soli) einmal installiert, wird der ewig klamme Gesetzgeber diese Einnahmequelle kaum versiegen lassen. Das Versprechen, niemanden stärker zu belasten als vorher, eine Phrase die sich nicht lange halten wird.“

Eine alles in allem, schon bei nationaler Betrachtungsweise, anrüchige Absicht, eine verheerende aus europäischer Sicht. Unsere Nachbarn verbünden sich in der Ablehnung gegen die geplante Pkw-Maut und schmieden bereits eine Allianz. Das ist genau das, was wir in einem krisengeschüttelten Europa noch brauchen. Neben Brexit, Wilders, Marie Le Penn, Orban und sonstigen Brandstiftern noch die bayrische CSU. Es sollte auch nach siebzig Jahren friedlicher Koexistenz der Europäischen Staaten noch ein Rest Erinnerung an die Vergangenheit verblieben sein. Auch die einfältigsten Denkstrukturen, meine Damen und Herren Repräsentanten- und innen volks(d)tümmlicher Ideologien, sollten dazu imstande sein. Die europäische Idee ist das Beste was in den Köpfen dieser Völker je gedieh, Nationalstolz das Dümmste und Verderblichste mit Millionen von Toten und unsäglichem Leid. Es gibt bestimmt viele Dinge, die in dieser Europäischen Union nicht zum Besten stehen, die einer Konfrontation unterschiedlicher Standpunkte wert sind. Die es wert sind im Sinne des Bestandes und der Zukunft dieser Union und ihrer Menschen, dazu gehört aber sicher nicht eine Maut oder Infrastrukturabgabe für ein nationales Straßennetz und schon gar nicht für das des reichsten Mitgliedes und größten wirtschaftlichen Profiteurs dieser Union.

(Ein Denkanstoß: Bietet ein sogenannter Freistaat nicht noch eine Vielzahl von Optionen wie, eigene Grenzkontrollen, Kündigung des Länderfinanzausgleichs und und……Gott mit dir, du Land der Bayern!)

Klaus Schneider 03.02.2017