Oh du selige Spendenzeit

 

 

Wie ein jedes Jahr spendet eine morbid, dekadente Konsumgesellschaft zur Weihnachtszeit für die armen, hungernden Menschen auf der Welt. Leidlich bemessene Summen Geldes für die Jammergestalten Asiens und Afrikas, für die Überlebenden verheerender Naturgewalten, die im vergangenen Jahr die Welt heimsuchten. Auch der eigene Kulturkreis erfreut sich sentimental, rührseliger Mildtätigkeit. Die, der dürftigen, staatlichen Fürsorge ausgelieferten Verlierer, eines, außer Kontrolle geratenen Turbokapitalismus oder den an körperlichen und seelischen Gebrechen leidenden Menschen, eben der ganze trübe Bodensatz einer Gesellschaft wird heuchlerischen Gemütes mit milden Gaben bedacht.
Was für ein Schmierentheater, das ein veritabler Anteil dieser verdorbenen Kreatur Mensch da veranstaltet! Davon sind, einmal ganz vorsichtig angedacht, diejenigen ausgenommen, welche sich auch übers Jahr nicht der Not aller, auf dieser Erde existierenden Kreaturen, verschließen. Aller Kreaturen, auch der Tiere, die in dieser Zeit ominöser Launigkeit, nach einem beschämenden Leidensweg in den wohl gemästeten Bäuchen naiver Heuchler landen.

Per se ein unseliger, schäbiger Akt, die Vergehen, Verbrechen wider jeder Menschlichkeit oder auch nur Vernunft, deren sich die gut situierten Wohlstandsbürger, ohne allzu großes Nachdenken, übers Jahr durch Tun oder Unterlassung, mitschuldig machten, durch Einmalzahlungen zu begleichen – ihr Gewissen von Schuld freizukaufen. Die Wurzeln dieser törichten Posse reichen allerdings bis ins Mittelalter zurück. Zu dieser Zeit begann die katholische Kirche Ablassbriefe zu verkaufen, welche gegen beträchtliche Summen Geldes einen Sündenerlass, ein reines Gewissen versprachen.
Ein reines Gewissen gegen Geld, da gehört schon eine beachtliche Portion Dummheit, respektive Frechheit dazu, um solchen Unsinn zu glauben bzw. ihn anzubieten. Doch, damals wie heute, findet diese Posse reichlich Anhänger, denn ist es nicht ein erleichterndes Gefühl sich einer drückenden Last zu entledigen? Es lebt sich dann doch um einiges leichter und vor allem, es passt wieder jede Menge neue Dummheit, Ignoranz, kognitive und moralische Fehlleistungen in die Depots wahrgenommener, menschlicher Unzulänglichkeiten.

Damals wie heute, nichts hat sich geändert und es wird sich auch nie etwas ändern. Es sind und bleiben stupide Kleingeister, denn ein paar Hundert Jahre ändern in den menschlichen Gehirnen keine Denkstrukturen. Nur etwas änderte sich, eine Kleinigkeit, Mildtätigkeit benötigt heutzutage eine Spendenquittung für die nächste Steuererklärung, Ordnung muss schließlich sein. Dann, ein Jahr später, zur gleichen Zeit, beglücken sie wieder diejenigen Kreaturen, die ein weiteres Jahr die direkten und indirekten Folgen ihres Konsum- und Genussgemetzel überlebten, wieder mit einer noblen Geste, mit ein paar, zu verschmerzenden Euro, man ist ja ein so guter, edler Mensch und der Seelenfrieden hat wieder ein Jahr seine Ruh.
Amen und fröhliche Weihnachten.

Klaus Schneider Dezember 2021

 

Buchvorstellung: Menschliches zwischen Sein und Schein
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