Der Staat als Exekutive einer verbindlich regulierten Gemeinschaft hilft „schuldlos in Not“ geratenen Menschen, Opfer von Naturkatastrophen, von wirtschaftlichen und sozialen Schieflagen, Menschen mit Behinderungen, Krankheiten und was sonst noch für Dissensen mit der Norm sie an an autonomer Lebensführung hindert.
Ein gutes Prinzip, dass sich die Gesellschaft, wenn auch nicht vorbehaltlos, zu ihrer Verantwortung bekennt. Um die Vorbehalte zu minimieren, Hilfsleistungen zu begründen, wird der Rechtsbegriff der Unschuld herangezogen. Denn in einem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung, „in dubio pro reo“, dass jeder Mensch, der einer strafbaren, oder die Gesellschaft schädigende Handlung oder Normenübertretung, beschuldigt wird, solange als unschuldig anzusehen ist, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen wird.
In logischer Konsequenz müsste aber die Schuldfrage, dann bei jedem einzelnen Fall erörtert und geklärt werden, um festzustellen, wer aus eigener Schuld in Not geraten ist. Diese Frage muss zwingend nach rechtsstaatlichen Prinzipien, in einem rechtsstaatlichen Verfahren, geklärt werden. Ein Verfahren, in dem die Gesellschaft nachweisen müsste, dass ein Empfänger ihrer Hilfs- und Sozialleistungen, seine Notlage wissentlich verursacht oder in Kauf genommen hat. Die staatlichen Behörden vermeiden im Prinzip solche dubiose Auseinandersetzungen, denn schuldfähig bedeutet ein Mindestmaß an Selbstbestimmung an Entscheidungsfreiheit, das vom Gesetz für die rechtliche Verantwortlichkeit verlangt wird.
Wer will bei wirtschaftlichen und sozialen Schieflagen, bei Naturkatastrophen, die nötige Eigenverantwortung und Vorsorge, einschließlich aller möglichen Entlastungsgründe, zweifelsfrei nachweisen?
Die Versuche von Schuldzuweisung oder Freistellung von Schuld stellen eine dumme, kleinkarierte Unsitte dar. Aus diesem Grunde sollte es doch an der Zeit sein, von dieser unseligen Floskel „schuldlos in Not geraten“ abzusehen und von jeder weiteren Bewertung der Empfänger staatlicher Leistungen abzusehen. Die Gesellschaft hat eine inwendige Verpflichtung sich und ihre Strukturen zu erhalten und das tut sie am Besten, wenn sie den sozialen Frieden sichert. Wenn der Untergrund, die Basis, auf dem ein Gebäude, eine Gesellschaft, steht, nichts taugt, wird der Überbau bald in eine kritische Schieflage geraten und das liebe Ankläger, Richter in Biedermanns Geist, wird erst richtig teuer.
Klaus Schneider November 2018